Die gestreiften Wyandotten ihre Geschichte und ihre Zucht
Obgleich die Wiege der Wyandotten in Amerika stand, sind ihre Ahnen zweifelsohne asiatischen Ursprungs, und zwar dürften Chochin und Malaien die Ausgangsrassen sein. Die Namen etwaiger Zwischenstufen wie Chittagongs, Dorkings und andere können uns heute nichts mehr sagen, da Art und Eigenschaften dieser Rassen zu wenig bekannt und für unsere Belange kaum jemals von Bedeutung waren.
Um die Enstehung einer Rasse in allen erdenklichen Farbvariationen zu verstehen, muß man sich die Einstellung der Züchter zu dem Problem der Rassegeflügelzucht vor und um die Jahrhundertwende vor Augen führen. Der Ertrag aus der Geflügelhaltung war um diese Zeit weniger ausschlaggebend als die Passion im Experimentieren am lebendem Geschöpf. Prominente Persönlichkeiten aller Berufsgruppen frönten dieser Liebhaberei als erholsame Freizeitbestätigung. Das Ziel war in jedem Fall das ideale Einzeltier, wobei auch farbliche Vollkommenheit größter Wert gelegt wurde. Die letzten Feinheiten für den Schaukäfig waren derart ausgeklügelt, daß die Zweistammzucht, das heißt die Zucht in zwei farblich unterschiedlichen Stämmen erforderlich wurde, um in beiden Geschlechtern standartgemäße Ausstellungstiere zu erhalten.
Über die Anfänge in der Wyandottenzucht ist wenig bekannt geworden. Nach den Überlieferungen hatten, etwa Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, es sich mehrere amerikanische Züchter in den Kopf gesetzt, die beliebte Saumzeichnung der Silbersebrights auf ein großes Huhn asiatischen Typs zu übertragen. Über die Form machte man sich zunächst keine Gedanken. Man züchtete die neue Rasse nach Cochin- oder vielmehr Brahmaart, denn der Rosenkamm galt als unterschiedliches Merkmal gegenüber den bekannten Mittelmeerrassen, zunächst etwas planlos, federfüßig und auch glattbeinig, jeder auf seine Art, in der Hoffnung, daß sein Typ anerkannt und der zu erwartende, damit verbundene Gewinn, ihm zufallen möge. Ein Züchter namens Whittaker soll der erfolgreichste gewesen sein. Dieser kam erst nach 1870 zur Zucht, indem er dem ebenfalls erfolgreichen Züchter namens Ray sämtliche glattbeinigen Tiere abkaufte und damit den späteren Wyandottentyp zusteuerte. Nach dieser Form wurde dann auch nach fast zwanzigjährigem Bemühen im Jahre 1883 die Rasse vonder amerikanischen Geflügelzuch - Gesellschaft anerkannt und unter dem Namen !Wyandotte" in den amerikanischen Standard aufgenommen. Dieser bedingt als wesentliches Rassemerkmal ein mittelschweres, mittelhochgestelltes Huhn von gedrungenem kräftigem Bau, schön gerundete, volle Form mit ansteigender Rückenlinie, Rosenkamm und gelben Läufen. Mit der daraf in größerem Umfange einsetzenden planvollen Zucht, in vielen Farbenschlägen, gewann die Rasse rasch an Boden und verbreitete sich mit Schnelligkeit über ganz Amerika.
Etwa um die Jahrhundertwende kamen die Wyandotten über England wie auch aus Amerika und zwar gleich in mehreren Farbenschlägen zu uns. Ihr Ruf bester Wirtschaftlichkeit sicherte dieser neuen Rasse sehr bald einen großen Liebhaberkreis. Als Richtschnur für die Zucht galtder mitübernommene und in den Grundzügenheute noch gültige amerikanische Standard. Obgleich damit die typische Wyandottenform von Anfang an feststand, war diese im Laufe der Jahre bei uns doch mancherlei Schwankungen unterworfen. Allzuleicht neigte man zeitweilig zu Übertreibungen in der Federfülle und Körperrundungen, bis man sich im Juli1956 entschloß, den internationalen Standard für weiße Wyandotten als Grundlage für die Zucht und Bewertung wieder aufzunehmen.
Somit ist Amerika das Ursprungsland der großen vielfarbigen Wyandottenfamilie, mit Ausnahme des gestreiften Farbenschlages. Für diesen war im amerikanischen Standard einfach kein Platz. Als Dominique-Wyandottes, wie man sie nannte, glichen sie allzusehr den um damalige Zeit in den USA noch stark verbreiteten gleichfarbigen Dominikanern, die ebenfalls gelbbeinig, mit Rosenkamm und in der Form den damaligen Wyandotten noch sehr ähnlich waren. Zudem kamen die gesperberten Plymouth-Rocks in neuartiger Streifenzeichnung mächtig auf. Und in England, wo die Farbenzucht in hoher Blüte stand, ist man wahrscheinlich mit dem Großaufkommen der gestreiften Plymouths über die Anfangsversuche nicht hinausgekommen. So blieb die Herauszüchtzung des damals noch gesperbertenwie auch des roten Farbenschlages der Wyandotten, den deutschen Züchtern vorbehalten. Letzterer hat sich im Laufe der Jahre nicht durchsetzen können, während die Gestreiften sich einen beachtlichen Liebhaberkreis sichern konnten, nicht zuletzt dank ihrer tatsächlich guten Wirtschaftlichkeit.
Die ersten Versuche um die Herauszüchtung gesperberter Wyandotten begannen bei uns vereinzelt etwa um 1907. Als dann um 1910 die schon seit 1880 auch bei uns bekannten Plymouth-Rocks in neuartiger Streifenzeichnung, amerikanischer Zuchtrichtung, auftauchten, lag es gewissermaßen in der Luft, diese mit Begeisterung aufgenommene Zeichnungsart auch auf die schon in recht vollendeten Formen vorhandenen weißen und schwarzen Wyandottenzu übertragen. Daß der damaligen Einstellung entsprechend und aus Lust am Experimentieren noch weitere Farbenschläge, ja sogar andere Rassen zur Herauszüchtung benutzt wurden, sei nur nebenbei erwähnt und machte die Sache nur komplizierter. Zum Vorteil dieses neuen Farbenschlages wurden die Versuche gleichzeitig und unabhängig voneinander von mehreren Züchtern in verschiedenen Gegenden Deutschlands mit gutem Erfolg unternommen. In erster Linie war es der 1940 verstorbenen Altmeister Hermann Ellerkmann, der sich auch in Wort und Schrift um die neue Rasse ganz besonders verdient gemacht hat. Er war es auch, der zur ersten gemeinsamen Tagung aller beteiligten Züchter aufrief. Diesem Ruf folgten zwölf Züchter aus dem ganzen Reichsgebiet, ein Beweis, wie vielgestaltig die Zucht bereits begonnen hatte. Diese erste Zusammenkunft am 20. Juli 1913 im Nassauer Hof zu Frankfurt am Main wurde zur Gründungsversammlung des "Vereins der Züchter gestreifter Wyandotten". Der Vorstand wurde gebildet. 1.Vorsitzender: H. Ellerkmann, Mühlheim-Speldorf; 2.Vorsitzender R. Tietze, Oberoderwitz; Schriftführer: K. Klehr, Witzenhausen; Kassierer: H. Thiemann, Celle und als Beisitzer: F. Heckmann, Gütersloh, R. Paternoster, Rendsburg, W. Herbrich, Neugersdorf und J. Kramer, Witzenhausen. Als weiterer Mitbegründer waren zugegen: Emil Chur, Dellbrück bei Köln; A. Kuntze, Witzenhausen; H. Rohe, Adelheitsdorf und Oriwol, Mügeln bei Dresden.
Schon am 1.Oktober 1913 gehörten diesem 21 Mitglieder an. Im Herbst dieses Jahres beteiligte sich der Verein mit Spezialschauen in Kassel, Ballenstedt, Duisburg und Dresden, wobei die Spezialrichter aus den Reihen der Mitglieder gestellt wurden. Jede dieser Schauen wurde mit Ehrenpreisen auf beste Gesamtleistung unterstützt und mit einer Mitgliedertagung verbunden. Gelegentlich mit der Nationalen fand am 12.Januar 1914 in Berlin eine Generalversammlung statt. Auch hier beteiligte sich der Verein mit einer Spezialschau. 21 Hähne und 19 Hennen stellten sich hier dem große Geflügelexperten Arthur Wulf. Obgleich die Voraussage dieses großen Fachmannes, im Hinblick auf die gewaltigaufkommende Plymouthkonkurrenz, nicht sehr ermutigend war, war seine ausführliche Kritik in der Presse sehr anerkennend.
Die nächste Generation der gesperberten Wyandotten, wie sie damals bekannt wurden, erlebte keine Schau. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges unterbrach jäh das Vereinsleben und die mit soviel Schwung begonnene Züchterarbeit.
In der Erreichung der Standardform hat es für die gestreiften Wyandotten kaum nennenswerte Schwierigkeiten gegeben. In engster Blutsverwandtschaft mit den einfarbigen Farbenschlägen stehen sie diesen in der Figur kaum nach. Die große, runde Feder begünstigt naturgemäß die gewünschten Körperrundungen. Der zwar nicht klobige, aber kräftige Knochenbau, breit geständert, mit breiten, gutgerundeten Schultern und Rücken bilden die unverkennbare, typische Wyandottenform, bei der eine gute Steigung in der Hinterpartie nicht fehlen darf. Die bei der Henne in der Schwanzspitze noch leicht sichtbaren , artgemäß leicht sichelartig gebogenen oberen Steuerfedern ergeben einen vorbildlichen, schön gerundeten Schwanzabschluß. Übertreibungen hierin aber stören sehr das Bild beweglicher Eleganz. Ebenso fehlerhaft sind abstehende, bauschige Schenkelkissen. Auch bei der Henne sollen die Schenkel im Rumpfgefieder noch leicht sichbar sein. Ohne den typischen Wyandottenkopf wäre das Gesamtbild der gerundeten Körperform unvollständig. Der gewölbte, über den Augen ganz klein wenig überbaute, breite Schädel mit dem ebenfalls gewölbten, fest aufgesetzten Rosenkamm. mit dem nicht zu langen runden Dorn, der der Nackenlinie folgen soll, verleiht dem Tier einen gewissen Adel.
Die Kammform bedarf bei den gestreiften Wyandotten noch einiger Aufmerksamkeit. Nicht nur, daß das Plymoutherbe des einfahcen Stehkammes immer wieder vereinzelt in Erscheinung tritt, sondern auch die unterschiedlichen Formvariationen des Rosenkammes sind zu beachten. Nicht ohne Grund besagt die Musterbeschreibung, daß der Rosenkamm fest und gleichmäßig aufgesetzt sein soll, denn locker hochstehend, dazu vielleicht noch im Vorderteil eine kronenartige Spaltung, die sogenannte Kamm-Mulde, verrät die Neigung zur Rückbildung zum einfachen Stehkamm. Eine weniger feine Perlung, ein etwas stumpfer oder auch abstehender Dorn sind kleine Mängel, die als leichte Fehler gelten, aber dem Steckdorn, wie auch im Standard erwähnten Mehrspitzdorn dürfen keine Zugeständnisse gemacht werden. Beide Fehler sind sehr hartnäckig in der Vererbung und daher von jeder Bewertung ausgeschlossen.
Etwas mehr Nachsicht in der Bewertung erfordert die Augenfarbe. Die Musterbeschreibung verlangt diese orangerot, das Auge selbst groß, rund, hervortretend. Ein feuriges Auge mit kreisrunder Iris bezeugt die Vitalität des Tieres, dagegen können Veränderungen bzw. unregelmäßige Abgrenzungen in der Regenbogenhaut Anzeichen beginnender Leukämie (Weißblütigkeit) sein. Wohl zu unterscheiden hiervon ist ein etwas helles, gelbliches Auge, ein Erbe der Kämpferahnen, was mit der Gesundheit des Tieres nichts zu tun hat und bei der Bewertung im Schaukäfig als solches erkannt und weniger hart gestraft werden sollte. Variationen zwishen gelber und orangefarbiger Iris sind beim Geflügel durchaus nicht selten und durch Fütterung und Legeperiode stark beeinflußbar. Dagegen ist eine weißliche Iris, das sogenannte Fischauge, ein grober Fehler, der sich sehr hartnäckig vererbt und demnach zu bekämpfen und in der Bewertung hart zu strafen ist.
Die Streifenzeichnung beim Geflügel ist eine auf Inzuchtbasis durch einseitige Zuchtwahl hervorgebrachte Verfeinerung der Sperberung, wie sich auch bei Wildvögeln gar nicht selten ist. Eine präzise Abgrenzung zwischen Streifung und Sperberung gibt es nicht. Nur auf Inzuchtbasis läßt sich die Streifung zu höchster Vollendung steigern. Ihre Vererbung ist sehr konstant und macht in der Zucht durchaus keine Schwierigkeiten, sofern nur die einfachsten Zuchtregeln beachtet werden. Die alte Züchterweisheit, der Hahn vererbt die Farbe, trifft in diesem Fall tatsächlich zu. Der Streifenfaktor ist geschlechtsgebunden und wird auf die männlichen Nachkommen in doppelter Chromosomenanzahl ererbt. Daher erscheinen die Hähne heller als die Hennen aus der gleichen Erbmasse und entsprechend der Federstruktur ist die Streifung enger. Die Praxis hat gezeigt, daß sich bei Fremdpaarungen die schwarze Grundfarbe weit konstanter durchsetzt als die helle Streifung. So sind alle Nachkommen, selbst aus einer Paarung mit weißen Hennen, zu dunkel. Wohlgemerkt, jede Fremdblutzufuhr neigt aber nicht nur zum Dunklerwerden, sondern auch wieder zur ursprünglichen Sperberung, und vergrößert zudem den farblichen Unterschied zwischen beiden Geschlechtern. Von einem Farbschwund kann sonit keine Rede sein. Allerdings wissen wir aus der Erfahrungen der zwanziger Jahre, daß es zu einem Verblassen der schwarzen Grundfarbe nicht kommen darf. Solange aber diese tiefschwarz ist, ist die Gesamttönung in der Wyandottenzucht nie zu hell.
Normalerweise ist bei einer Fremdpaarung schon die F1-Generationsowohl rosenkämmig als auch gestreift. Beide Erbfaktoren sind dominierend. Beim Beginn der Zucht um 1910 begünstigte die damalige hellere Zuchtrichtung der gestreiften Plymouths die Übertragung der hellen Streifung auf die in Form und Grundfarbe bereits vorhandenen schwarzen Wyandotten naturgemäß sehr und galt diese dann auch jahrelang als Vorbild in der Wyandottenzucht.
Die Musterbeschreibung verlangt auf glänzend schwarzer Grundfarbe jede einzelne Feder möglichst gradlinig und nicht zu eng, grauweiß, quergestreift, etwa im Verhältnis 1:1. In Wirklichkeit ist die Streifenfarbe weiß, aber in der durchsichtigen Federstruktur wirkt sie leicht grau. Ferner betont die Musterbeschreibung, daß in der Wyandottenzucht in beiden Geschlechtern keine der beiden Farben die Vorherrschaft haben soll.
Für diese Zeichnungsart ist von Wichtigkeit, zu wissen, daß die Form der Feder, also das Verhältnis, der Breite zur Länge der einzelnen Feder bestimmend ist für die Anzahl der Querstreifen, oder noch genauer gesagt, die Federform bestimmt die Breite der einzelnen Streifen. Somit ist verständlich, daß Bestrebungen auf allzuenge Streifenbildung in der Wyandottenzucht der für diese Körperform unbedingt notwendigen großen, runden Feder zuwiderlaufen und zu gegensätzlichen Schwierigkeiten in der Zucht führen müssen. Der Reiz dieser Zeichnungsart liegt bei den Wyandotten einzig und allein in der lichtblauen Gesamttönung. Damit ist auch gleichzeitig der nötige Abstand geschaffen und dem Eindruck einer gewissen Unfertigkeit gegenüber der Plymouthstreifung begegnet, da diese Streifenmenge einen dunkleren Farbton bedingt.
Noch in den zwanziger Jahren wurde die Zucht dadurch erschwert, daß man im Schaukäfig in beiden Geschlechtern eine gewisse Farbengleichheit verlangte. Dadurch wurde die Zucht in zwei farblich unterschiedlichen Stämmen, der sogenannten Zweistammzucht, notwendig, die aber, schon des vielen Aufwandes wegen, vielen Züchtern die Zucht verleidete. Das Übel wurde auch damit nicht behobe, daß man sich offitiell von der Zweistammzucht lossagte, den Züchtern aber empfahl, an den helleren Hennenzucht-Hahn neben den schaumäßig hellgefärbten Hennen auch solche anzupaaren, die an sich für die Zucht zu dunkel waren, also die früheren Hahnenzuchthennen, nur um Ausstellungshähne zu bekommen, die an sich für die Zucht wertlos waren. Gerade mit dieser Methode kam eine Unsicherheit in die Zucht, die auf Jahre hinaus der Rasse den Weg zu größerer Beliebtheit versperrte. Mit diesen hochwertigen Hähnen wurde von weniger Kundigen weitergezüchtet und die Enttäuschung konnte nicht ausbleiben. Dies mag auch ein Grund mit gewesen sein, daß die gestreiften Wyandotten, trotz ihrer verhältnismäßig guten Verbreitung selbst auf großen Schauen nie groß hervorgetreten sind.
Die im Jahre 1931 endgültig festgelegte strikte Einstammzucht für alle Hühnerrassen mit einem gewissen Wirtschaftswert bedeutete das Ende der ehemaligen Hahnenzuchten. Für manche Rassen kam es dabei zur Aufteilung in zwei verschiedenen Farbenschläge. Sofern man nicht die Bestrebungen auf immer engere Streifungin der Plymouthzucht dazurechnet, hat sich in der Streifenzeichnung niemand um die Erhaltung der ehemaligen Hahnenzuchtlinie bereitgefunden. Bis sich aber die Erkenntnis durchsetzte, daß damit logischerweise dem für die Erzeugung mustergültig gefärbter Hennen bestgeeignetste hellere Hahn auch im Schaukäfig der Vorrang gebühre, dauerte ein Vierteljahrhundert.
Der völlige Zusammenbruch unseres Wirtschaftlebens nach dem zweiten Weltkrieg führte auch in der Wyandottenzucht zu einer gewissen Krise. Erstens hatte die Futterverknappung schon Jahre vorher eine entsprechend große Kükenaufzucht verhindert und damit die Vitalitätsauslese unterbunden, und zum andern war man während des Krieges eifrig besorgt, alles am Leben zu erhalten, was Eier legte. Hinzu kam der natürliche Verschleiß des immerhin nicht mehr jungen Erbgutes, vor dem keine Geflügelrasse bei noch so natürlicher Formpflege bewahrt werden kann. Dafür ist es Hausgeflügel, dem wir übernatürliche Leistungen abverlangten, und die natürliche Vitalitätsauslese, wie in freier Wildbahn, wird durch uns Menschen verhindert. Für eine erfolgversprechende Substanzerneuerung fehlte der geeignete Partner. So kam es zu den bekannten Nachzuchtschwierigkeiten, die erst mit den neuerlichen Importen amerikanischer Plymouths (Barred Rocks) überwunden werden konnten.
Der Zweck einer sogenannten Blutauffrischung ist, um betreffende Rasse, die evtl. in ihrer Vitalität und Körpergröße nachgelassen hat, einen Schuß neuen Blutes zur Erhöhung der Lebenskraft einzuflößen. Die Bezeichnung "Blutauffrischung" sollten wir nicht wörtlich nehmen. Es ist keine Auffrischung des Blutes sondern eine Zuführung neuer Erbfaktoren, also eine Auffrischung des Erbgutes. Das in unserem Fall verhältnismäßig gleichgeartete Erbgut beider Rassen führte dann auch, ohne besondere Aufwendungen, in den meisten Fällen sehr bald zu dem gewünschten Erfolg. Das Hauptziel, die Verbesserung der Körpergröße, wurde rasch und voll erreicht. Eine erfolgreiche Weiterzucht aber setzt gewisse Kenntnisse der neueren Erbforschung voraus. Biologisch sind die Nachkommen aus der Paarung zweier Rassen Bastarde, die keinesfalls für eine Weiterpaarung untereinander geeignet sind, da es durch weitere Zellteilung der ungleichen Erbfaktoren der Elterntieren sehr leicht zu Veränderungen im Erbgut kommt, mit denen man rechnen konnte, da sie sich bei keinem der Vorfahren gezeigt hatten. Somit erfolgt die Weiterzucht in den nächsten Generationen nur mit Hennen aus dieser Kreuzung, wie sie ebenfalls sicherheitshalber auch mit einer Henne begonnen wurde. Hähne hieraus sind für die Zucht, zumindest für beschränkte Verhältnisse, nicht geeignet. Zudem muß mit einem weiteren Ausfall an Hennen gerechnet werden, die wegen unerwünschter Merkmale für die Weiterzucht ungeeignet sind. Aber auch damit sind die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Experimentes nicht erfüllt. Vor allem gehören dazu die nötigen Platzverhältnisse. Mindestens zwei sicher getrennte Zuchtstämme, Lege- und Abstammungskontrolle, Kükenzeichnung und die erforderlichen Aufzeichnungen, und nicht zuletzt Ausdauer. Wer darüber nicht verfügt, findet in der Reinzucht eine dankbarere Aufgabe.
Oberstes Gebot für den züchterishcen Erfolg ist bei jeder Rasse die Erhaltung der Vitalität. Dies gilt ganz besonders für den kleinen Liebhaberzüchter, der Wert auf die letzten Feinheiten seiner Rasse legt. Diese erreicht man aber nur über die Inzucht, der ja letzten Endes alle Rassen ihre Entstehung überhaupt verdanken. Auch diese für uns so wichtige Frage hat die moderne Erbforschung geklärt und gezeigt, daß Inzuhct als solche weder schädlich noch nützlich ist.Sie bringt lediglich die bisher verborgen gebliebenen guten wie auch die schlechten Eigenschaften an den Tag. Sie führt zur Rinerbigkeit und deckt Mängel auf, die sonst vielleicht die Zucht jahrelang in ihrem Vorwärtskommen behindern würden. Andererseits aber führt sie zu den höchsten züchterischen Erfolgen, sowohl in der Leistung wie auch in der Schönheit. Vergessen wir aber nie, daß körperliche Schwächen, von beiden Eltern aus dem gleichen Erbgut , also doppelt vererbt, unweigerlich zur Degeneration und zum Ruin führen müssen. Mängel in der Befruchtung und Schlupf, anormale Fehlbildung sowie ungleiche Entwicklung der Jungtiere sind hierfür die ersten Anzeichen. Dies ist auch der Hauptgrund, warum die Inzucht von vielen Züchtern abgelehnt wird. Unerläßlich für den Erfolg planmäßiger Inzucht ist ein unbarmherziges Schlachtmesser während der Aufzuchtzeit. Alles, was in den ersten drei Monaten in der Entwicklung nicht mitkommt, darf auf keinen Fall in den Zuchtstamm. Später holen solche Kümmerlinge oft auf und die Symptome verwischen sich, bleiben aber eine große Gefahr, besonders für kommende Generationen ausgerichtet, wobei nicht mit zufälligen Mutationen gerechnet werden darf. Keinesfalls darf man erwarten, daß der Zufall Wünsche erfüllt, deren Veranlagung nicht im Erbgut verankert ist.
Die gestreiften Wyandotten sind sehr frohwüchsig, und wer in der Entwicklungszeit, etwa ab sechster bis achter Lebenswoche, sich mit den Eiweißangaben nicht sehr zurückhält, kann erleben, daß Hennen im Alter von reichlich vier Monaten mit dem Legen beginnen, ohne abgeschlossene körperlicher Entwicklung. Man muß schon rechtzeitig vorbeugen. Ist einmal die Geschlechtsreife stark vorgeschritten, ist eine Umstellung in der Fütterung keinesfalls ratsam. Dadurch bilden sich die Geschlechtsorgane rasch zurück und kümmern dann vielleicht für´s ganze Leben. Ohnehin sollte jede Umstellung in der Fütterung nur ganz allmählich erfolgen. Auch die Befiederung erfolgt in der Regel im gleichen Tempo. Wir legen aber Wert auf gute Körpergröße , und wer neben dem Eiersegen auch noch Wert auf Ausstellungserfolge legt, wird erkennen müssen, daß die Federbildung der Asiaten von der der Mittelmeerrassen grundverschieden ist. Der erfahrene Züchter weiß, daß Vögel mit der vielkritisierten Gefiederbremse, nach völliger Durchmauserung, in der Regel nicht nur die schönsten, sondern auch die körperlich robustesten Vertreter dieser mittelschweren Halbasiaten sind, vorausgesetzt, daß die Befiederung glatt und ohne krankhafte Störungen vor sich geht. Gerade die Federbildung, nicht das Befiederungstempo, ist ein nicht zu unterschätzender Wertmesser für die Vitalität des Tieres und seiner hierauf basierenden Leistungsfähigkeit. Wenn schon beim Kleinküken die ersten Schwingenfedern spreiten, stimmt etwas nicht, entweder in der Haltung oder noch wahrscheinlicher im Erbgut.
Musterbild und Musterbeschreibung erläutern das Erscheinungsbild des idealen Einzeltieres. Unsere Bestrebungen aber sind ausgerichtet auf die nach diesem Ideal schön ausgeglichenen Herde. Obgleich es in der lebenden Natur zwei völlig gleiche Wesen nicht gibt, können trotzdem alle Tiere einer Herde mustergültig schön sein. Vor kleinlichen Übertreibungen kann nicht dringend genug gewarnt werden. Das ideale Einzeltier besitzt heute keinen Seltenheitswert mehr. Es mehren sich die Warnungen vor allzu präziser Fixierung des Typs, da mit dem Verlust eines einzelnen Gens unter Umständen schon die ganze Zucht zugrundegehen bzw. nur noch durch Fremdblutzufuhr erhalten werden kann. Letzte Zeichnungsfeinheiten erreicht man nur über die Inzucht bzw. Inzestzucht mehrere Generationen hinduch, aber der praktische Erfolg hängt davon ab, ob die Inzuchtlinie bei solchem Hochstand in der unbedingt notwendigen Vitalität erhalten werden kann. Daher kann nur empfohlen werden, nicht alle Zuchttiere auf den Idealtyp auszurichten. Die Erhaltung einer gewissen Variabilität innerhalb des Zuchtstammes ist eine Sicherheitsmaßnahme, die nur zu empfehlen ist, ganz besonders, sofern man mit nur einem Zuchtstamm auskommen muß.
Erinnern wir uns immer wieder an einen Ausspruch eines unserer größten Experten der Wyandottenzucht, Prof. A. Reiß: "Fern von allen Übertreibungen, vor denen wir stets gewarnt haben, zeigt sich uns ein kräftiges, behäbiges und doch elegantes Huhn, von reichlicher Mittelgröße, das durch den ruhigen Fluß der kurvigen Umrisse des Rumpfes und des Kopfes, durch die gefälligen Proportionen, von Höhe, Länge und Breite eine stilvolle Eigenart verrät, die kaum bei einer zweiten Hühnerrasse in dieser Vollkommenheit zu finden ist, was allein den Rassezüchter ausmacht, der Sinn hat für den Adel der Tiere."